Selfaktor
Eigentlich wirkt es gar nicht so kompliziert, aus dem gleichmäßigen Vorgarn das fertige Garn zu spinnen, doch selbst die Übertragung des vom Spinnrad bekannten Prozesses bis hin zu einem ausgereiften Selfaktor zog sich bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts hin. Es handelt sich beim Selfaktorspinnen um einen zweiphasigen Vorgang. Bei der Ausfahrt des Spinnwagens wird über die Spitze der Spindel dem Faden die Drehung verliehen und gleichzeitig werden die Fasern noch verzogen, so dass ein dünneres Garn entstehen kann, als wenn das Vorgarn in der ursprünglichen Dicke versponnen würde. Zur Veranschaulichung ist das Material auf dem linken Wagen entsprechend eingelegt. Auf der Rechten Seite ist das Garn durch das Abklappen des Führungsdrahtes in die Position gebracht, die es bei der Einfahrt des Wagens und dem Aufwickeln des fertigen Garns hat.
Faszinierend ist an diesen Maschinen, wie es gelungen ist, aus dem zentralen Antrieb früher Industriebauten die verschiedenen notwendigen Bewegungen des langsamen Anfahrens und des Antriebs der Spindeln abzuleiten. Dazu sollen Sie einen Blick auf die kunstvoll geschmiedeten Wellen des Spindelstocks mit seinen Seilzügen auf der anderen Seite des Selfaktors werfen. Es handelt sich um ein Fabrikat einer Maschinenfabrik aus dem Elsass.
Diesen Selfaktor haben wir – das heißt insbesondere unsere Spinnereifachleute, die Herren Quadtflieg, Herrmann und Rüttgers, in St. Cecile demontiert und in hunderten von Einzelteilen zur Komericher Mühle in Aachen Brand, der ehemaligen Spinnerei Kutsch, gebracht und in monatelanger Arbeit etwas verkürzt und wieder zusammengebaut.
(2-minütiges Video: Selfaktor in der Tuchfabrik Führen Aachen 1994.)
Ringspinnmaschine
Im Vergleich zu einem Selfaktor sieht eine Ringspinnmaschine wesentlich einfacher aus, obwohl diese Technik sich erst ab 1870 mit der Gründung großer Kammgarn-Aktienspinnereien in Deutschland durchsetzte. Das Vorgarn wird dabei über einen Ringläufer der Spindel zu geführt. Dieser Ringläufer rast mit unvollkommener Schmierung und einen unangenehmen Geräusch auf dem Ring um die Spindel, so dass Drehung und Aufwickeln in einem Arbeitsgang erfolgen.
Auch bei dieser Maschine handelt es sich um eine gegenüber den in Fabriken üblichen Maschinen um eine deutlich verkürzte Version. Das Aufstecken und Abnehmen der Garnhülsen blieb dabei Handarbeit, die überwiegend von Frauen und in der Frühzeit der Industrialisierung von Kindern ausgeführt wurde.
Spulmaschine
Da die Spulen der Spinnmaschinen nicht für die folgenden Arbeitsgänge brauchbar sind, muss in Tuchfabriken immer wieder gespult werden. Zwirnmaschine, Kettschärmaschine, Weberschiffchen, Garnfärber arbeiten jeweils mit anderen Spulen, so dass die Produktion von Spulen zu einem eigenen Produktionszweig einiger Aachener Betriebe wurde – u.a. Krantz, und Zimmermann. Von einem Spulentyp muss auf einen anderen umgespult werden, je nach dem was für eine Aufmachung dort gefordert wird. Dieser Arbeitsgang ist technisch nicht sehr anspruchsvoll, aber wegen der notwendigen Handarbeit doch ein beachtlicher Kostenfaktor.
Unsere Spulmaschine ist ein altes französisches Fabrikat wiederum aus St. Cecile.
Ein notwendiger Arbeitsgang bei der Wollverarbeitung, den wir nicht zeigen können, ist das Dämpfen. So werden nach dem Spinnen oder Spulen die Körbe mit den Spulen in einen Schrank geschoben in dem sich die Fasern unter der Einwirkung von Dampf an die neue noch gewaltsame Position anpassen und entspannen. In früherer Zeit ließ man den Fasern in feuchten Räumen einfach viel Zeit sich zu entspannen.
Autoconer
Mit der Entwicklung des Autoconers gelang der Maschinenfabrik Schlafhorst (gegr. 1884) aus Mönchengladbach in den 1960er Jahren die Entwicklung einer Spulmaschine, die sich zum Standard entwickelte, weil sie beim Spulen Ungleichmäßigkeiten des Garnes also Verdickungen und zu dünne Stellen herausschnitt und die Fadenenden ansaugte und automatisch zu einem Standardknoten verknotete. Dadurch gelang es Fadenbrüche und Ungleichmäßigkeiten im Warenbild zu vermindern und den Arbeitsaufwand der Stöpferinnen deutlich zu vermindern. Bei der weiteren Entwicklung gelang es sogar die Knoten zu vermeiden, dadurch dass die Fadenenden aufgezwirbelt wurden, um sie unsichtbar wieder zu verspinnen.
Doch selbst dieses Unternehmen blieb nicht von den Krisen der Textilindustrie verschont und musste seine Selbständigkeit aufgeben und viele Arbeitnehmer entlassen.
Zwirnmaschine
Durch das Zwirnen des Garns wird der neue Faden gleichmäßiger und haltbarer als ein doppelt so dick ausgesponnenes einfaches Garn. Neben der höheren Haltbarkeit sind aber auch die Optik und verbesserte Trageeigenschaften Kriterien für diesen zusätzlichen Arbeitsgang. Die Funktionsweise der Maschine entspricht dem Spinnen auf einer Ringspinnmaschine. Das bloße doppeln von Garnen ohne Drehung bezeichnet man als „fachen“. Wie beim Spinnen unterscheidet man nach der Drehrichtung S- oder Z Garn bzw. Zwirn, was bei der Kombination im fertigen Tuch wie bei Krepp oder Georgette der Ware einen besonderen Griff verleiht. Möglich sind aber auch Effektzwirne wie Bouclé, Loop, Frottée, Ondé.
Unsere Zwirnmaschine ist ein Geschenk der Vereinigung der Unternehmerverbände als Nachfolger der Aachener Textilingenieurschule, eine frühe Gründung (1883) der Aachener Tuchfabriken zur Schulung des Nachwuchses. Auch diese Maschine ist ein um viele Zwirnstellen verkürztes Exemplar der Firma Hamel.
Doppeldraht-Zwirnmaschine
Ein weiteres Exponat in unserem Depot ist eine komplette Doppeldraht-Zwirnmaschine mit zwei Zwirnstationen, auf der wir bereits Garn für die nächste Kette unseres Musterwebstuhls zwirnen. Das Doppeldrahtverfahren stellt eine weitere verbesserte Technologie des Zwirnens dar. Unsere kleine Maschine der Firma Weller stammt aus der Auflösung der Aachener Textilausbildung.
Die Bezeichnung „Doppeldraht…“ erklärt sich wohl dadurch, dass mit einer Spindelumdrehung zwei Umdrehungen auf das Garn aufgebracht werden. Die Bezeichnung „Draht“ erscheint ungewöhnlich für einen Zwirn, aber z.B. Schuhmacher oder Sattler bezeichnen ihren mit Pech imprägnierten Zwirn als „Pechdraht“. Es muss also nicht immer Metalldraht sein.
Aufbau der Zwirnstation:
Wichtigstes Bauteil ist die Zwirnspindel, die senkrecht in der Maschine gelagert ist. Am unteren Ende hat sie ca. 30 – 40 mm Durchmesser. Innen sitzen vermutlich zwei Kugellager, über den Außendurchmesser läuft ein flacher Antriebsriemen. Darüber hat die Spindel einen Flansch, ähnlich dem Wirtel bei der Handspindel. Darüber kommt ein schlanker Teil, auf dem der sogenannte Spulentopf leicht drehbar gelagert ist. Die Spindel ist senkrecht (längs), der Flansch radial (quer) durchbohrt, so dass ein Faden von oben durch die Mitte der Spindel und dann seitlich aus dem Flansch herausgeführt werden kann.
Beim Betrieb der Maschine dreht sich der Spulentopf nicht mit, sondern wird durch Magnetkräfte daran gehindert. Ein Festhalten des Topfes durch ein mechanisches Bauteil ist nicht möglich, weil das den freien Umlauf des Fadens um den Topf verhindern würde.
Zum Betrieb der Maschine wird eine Kreuzspule mittig in den Spulentopf eingesetzt. Zum besseren Garnablauf wird noch ein sogenannter Zwirnflügel auf die Spule bzw. die zum Topf gehörende Spulenzentrierung aufgesetzt. Dieser Flügel erleichtert das Abziehen des Garnes und verhindert, dass es an der Oberkante der Spule reibt und eventuell aufgerauht wird.
Mit einem flexiblen Draht wird das gefachte Garn (bestehend aus zwei oder mehr noch nicht verdrehten Fäden) von oben in die Spindel eingeführt und durchläuft eine Garnbremse. Dann wird das Garn aus der Radialbohrung des Flansches herausgeführt und außen um den Spulentopf herum zu einer Führungsöse mittig oberhalb der Spindel geführt. Von dort umschlingt das Garn mehrfach eine gummierte Abzugswalze und wird dann über eine changierende Fadenführung auf Kreuzspulen aufgewickelt.
Der Antrieb der Maschine erfolgt von einem Drehstrommotor über Breitkeilriemen-Regelscheiben auf die Hauptantriebswelle. Von dort werden über Textilflachriemen die Zwirnspindeln direkt angetrieben. Von der Hauptwelle werden über Keilriemen, Kettentriebe und Wechselräder die Abzugswalzen, Spulwalzen und die Changiereinrichtung angetrieben. Mit Hilfe der Wechselräder lassen sich die Anzahl Garndrehungen (Tourenzahl) pro eingezogenem Meter Garn einstellen. Leider sind von den 6 Rädern der Wechselrädertabelle zur Zeit nur 3 Räder aufzufinden, sodaß wir im Augenblick nur die hohen Drehungen für feine Garne erzeugen können.
Für viele Drehungen pro Meter muss die Einzugsgeschwindigkeit gering sein, für wenig umgekehrt. Wenn der Einzug zu schnell ist, muss man eventuell die ganze Geschwindigkeit drosseln.
Beim Zwirnen erfährt das Garn die erste Drehung zwischen der Fadenbremse und dem Austritt aus dem Flansch. Die zweite Drehung ergibt sich auf der Strecke vom Flansch zur Abzugswalze. Dabei schleudert der Faden in einem sogenannten Ballon außen um den Spulentopf herum. Im Betrieb kann man das mit dem bloßen Auge kaum erkennen. Auf dem Foto ist wegen der kurzen Belichtung durch den Blitz der Faden gut zu erkennen.
Wenn die Spindel (von oben gesehen) im Uhrzeigersinn dreht ergibt sich eine sogenannte Z-Drehung, entgegengesetzt eine S-Drehung, entsprechend dem Diagonalstrich des Buchstabens Z oder S.
Das Doppeldrahtverfahren hat gegenüber dem Ringzwirnverfahren entscheidende Vorteile. Es können wesentlich größere Spulen verarbeitet werden, das bedeutet weniger Bedienungsaufwand und weniger Knoten. Allerdings liegt vor dem Zwirnen der zusätzliche Arbeitsgang des Fachens, so bezeichnet man das parallele Aufwickeln von Garnen. Ringspinnmaschinen werden nur noch für kleine Losgrößen und besondere Effektgarne verwendet.
P.S. Der oben angesprochene „Flansch“ wird in der Fachsprache als „Speicherscheibe“ bezeichnet. Mehr Informationen findet man im Internet z. B. bei Google-books im Fachbuch von Josef Schneider: Vorbereitungsmaschinen für die Weberei, Ein Handbuch für Spinner, Weber … bei Springer.
Außerdem empfehlenswert:
die Seiten „Wikipedia/Zwirnen“
und „volkmann.saurer.com“
oder auch im kleinen Zwirnlexikon.