Die Geschichte der Gewerbebauten in der Brabantstraße 73

Plan Stadt Aachen und Burtscheid 1877

Am 3. Juni 1563 übertrug der Besitzer Wilhelm Kockart die Mühlengebäude dem wohlhabenden Adam von Merode-Frankenberg, dessen Familie vom 14. bis zum 16. Jahrhundert die Vogtei über Burtscheid ausübte.

Im März 1727 übertrug Graf Philipp Wilhelm von Merode-Houffalize die mittlerweile in schlechtem baulichen Zustand befindliche Mühle an Conrad Clermont. Nachweisbar ist ab dieser Zeit die Nutzung als Nadelschauermühle, d.h. als Mühle zum Polieren von Nadeln. Nach Umbaumaßnahmen kaufte Clermont die Mühle 1735, zusammen mit 3 Morgen darum herum befindliches Land.

Auch gegen Ende des 18. Jahrhunderts diente die ‘Weiße Mühle’ nach einem Eigentümer-wechsel an die Mitglieder eines Zweigs der Familie Pastor als Nadelschauermühle.

Ca. 1797 baute sie Andreas Ludwigs zu einer Spinnereimühle um und legte zusätzlich einen zweiten Mühlenteich an, wahrscheinlich um den Betrieb von der manchmal nicht ausreichenden Wasserzufuhr unabhängig zu machen. Ein damit vergleichbarer Ausbau der Wasserversorgung lässt sich auch bei anderen Aachener Mühlen nachweisen.

Der nachfolgende Besitzer, Joseph Ruland, richtete 1828 eine Ölpresse ein, sieben Jahre später eine Tuchfabrik. Die textile Nutzung setzte sich in der Tuchfabrik und Spinnerei ‘Comp und Aldenhoven’ fort.

Werbeanzeige DAR – 1928

Während zu den bislang erwähnten Unternehmen keine nennenswerten Aufzeichnungen erhalten geblieben sind, lassen sich zu der 1889 nachfolgenden Firma, der Tuchfabrik ‘J. Cüpper Sohn’, detailliertere Aussagen machen. Schon 1871 eröffnete Cüpper in der Altdorfstraße im Herzen Burtscheids eine Tuchfabrikation. Ca. 20 bis 30 Arbeiter waren in den ersten Jahren an Handwebstühlen tätig, womit man eine Jahresproduktion von ca. 500 Stücken erzielte (ein ‘Stück’ ist bis heute die Maßeinheit für das fertig gewebte Tuch). In den ersten Jahren wurden Streichgarnartikel hergestellt, was der damals in Aachen vorherrschenden Fabrikation entsprach. Als sich dann abzuzeichnen begann, dass die etwas feineren Kammgarnartikel an Bedeutung gewinnen würden, war Cüpper einer der ersten, der mit der Herstellung solcher Kammgarntuche begann. Das Unternehmen florierte, so dass man nach einem Standort Ausschau hielt, der eine Ausweitung der Produktion ermöglichen ließ. 1889 konnte der Betrieb in die von ‘Comp & Aldenhoven’ übernommene Fabrikmühle verlagert werden.

Nach und nach wurden die Anlagen dort ausgebaut und erheblich erweitert. So richtete Cüpper um 1900 eine große Spinnerei ein, setzte 1902 einen leistungsfähigen Dampfkessel in Betrieb und modernisierte den Maschinenpark. 1925 bedeckten die Gebäude bereits eine Fläche von 16000 qm.

Ein Vergleich der Pläne von 1876, 1899 und 1923 lässt die bauliche Entwicklung des Betriebs nachvollziehen. Im Zentrum der Anlage ist noch die ursprüngliche Ausrichtung jener älterer Gebäudeteile erkennbar, die sich aus der ‘Weißen Mühle’ herausbildeten. Darum herum spätere Anbauten, wie der fünfgeschossige Hochbau, eine große Shedhalle (mit Weberei und Leimerei) und weitere ein- bis zweigeschossige Gebäude (für die Spinnerei, die Wolferei, den Trockenraum usw.). Erkennbar wird der Versuch, die Kapazitäten auszuweiten und der immer ausgefeilteren Mechanisierung der Tuchausrüstung/Appretur (Waschen, Färben, Oberflächen- und Gewebebehandlung) Rechnung zu tragen. Dabei wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gemäß der in dieser Zeit im Fabrikbau vorherrschenden Konstruktionsweise ein mehrgeschossiger Hochbau errichtet. Zum Ende des 19. Jahrhunderts setzte sich bei der Einrichtung eines neuen Websaales (1889) die mittlerweile übliche Shed-Hallen-Konstruktion durch, da dies enorme Vorteile für die Beleuchtung und Logistik mit sich zog. In dieser vom Architekten Edmund Thyssen errichteten Shed-Halle wurde das Dach von gusseisernen Säulen abgestützt, an denen die Lager für die Transmissionswellen angeflanscht waren. Aus Gründen des Brandschutzes wurden die Eisensäulen später mit Mauerwerk umgeben. Die Fassaden der Shed-Halle waren einfach gestaltet; man verzichtete hier auf die beim Geschossbau häufig übliche Gliederung mit Lisenen und Friesen.

Die anderen nach und nach errichteten kleineren Anbauten waren in ähnlicher Weise schlicht  gestaltet. Hier kam es darauf an, den vorhandenen begrenzten Baugrund ohne größere Neuinvestitionen optimal auszunutzen. Eine einheitliche Gestaltung der einzelnen Bauteile ist nicht mehr erkennbar.

Foto Stadtarchiv Aachen Neg. E 467

Die für den Betrieb einer Tuchfabrik unabdingbare Wasserversorgung erfolge durch Ableitung der benötigten Wassermenge aus Beverbach und Wurm. Das in den Aachener Bächen enthaltene Wasser war ein ausgezeichnetes Betriebsmittel für das Färben und Ausrüsten von Wolltüchern.

1932 wurde die Fabrikanlage durch die Firma „Textilwerk Aachen GmbH“ übernommen; ca. 10 Jahre später zog die Tuchfabrik F. & M. Meyer in die Brabantstraße, da deren Stammwerk in der Warmweiherstrasse durch Bombentreffer zerstört worden war. Die offensichtlich enteignete Witwe Meyer erhielt 1948 ihren Besitz zurück und eröffnete in den Gebäuden der ehemaligen Cüpperschen Fabrik eine neue Kammgarntuchfabrik unter dem Namen „Meyer & Co“ – ein Unternehmen, das bis 1959 existierte. In anderen Gebäudeteilen etablierte sich von 1951 bis 1959 die Lohnappretur „Sommer & Vinkeloe KG“.

1959 zog der Anwalt G. Walther in die Gebäude und eröffnete eine Streichgarnspinnerei. Kurze Zeit später baute er das Unternehmen zu einer Volltuchfabrik aus, d.h. zu einer Textilfabrik, die alle Verarbeitungsschritte wie Spinnen, Weben, Färben und Ausrüsten selbst vornimmt. 1976 wurde die Tuchherstellung eingestellt und man spezialisierte sich fortan auf die Herstellung von Strickgarnen in der bereits vorhandenen Spinnerei. 1992 stellte man auch diese Produktion ein. Nicht mehr genutzte Gebäude wurden ab 1979 für nicht-textiles Kleingewerbe zur Verfügung gestellt. So siedelten sich auf dem Gelände folgende Firmen an:

  • 1985 die AHU – Arbeitsgemeinschaft Hydrogeologie und Umweltschutz
  • bis 1985 EIFA – Ingenieurbüro für Mess- und Regeltechnik
  • bis 1985 die Architekturwerkstatt Hestermann – König – Schmidt
  • die Schreinereien H. Marx und ‘Holzcoop Innenausbau – Messebau GmbH’
  • die Firma ‘F. D. Beissel’ – Großhandel für Teppichböden, Tapeten und Farben
  • die Ausbildungswerkstatt Aachen e.V.
  • die Kunststoffverarbeitung D. Bittner
  • die AK Media GmbH Filmproduktion
  • die Akustikfirma ‘Audiodata GmbH’
  • die Architekturbüros ‘Feldhaus und Berndgen’, sowie ‘M.Klinge. und K. Hausschopp’
  • die Video/AV – Handlung ‘JVC Professional’

Herr Walther hegte bereits seit Anfang der 90er-Jahre den Plan, das Grundstück nach Abriss der Gebäude einer neuen Nutzung zuzuführen. Im Zuge der sich konkretisierenden Planung zogen die Nutzer nach und nach aus. Junge Künstler fanden vorübergehend Raum für Arbeit und Wohnen. Es sollte jedoch noch bis zum Beginn des neuen Jahrtausends dauern, bis es zum Abriss der Gebäude kam. Nach mehreren Anläufen zeichnet sich nun eine Bebauung des umfänglichen Grundstücks mit Wohnbauten ab.


Jochen Buhren