Schafvlies

Die Qualität des traditionellen Rohstoffs der Aachener Tuche – die Schafwolle – ist von entscheidender Bedeutung. In vorindustrieller Zeit kam die beste Wolle aus England. Sie bildete den Rohstoff für die begehrten flandrischen Tuche. Abgelöst wurden diese Wollqualitäten von „spanischer Wolle“, der Wolle des Merinoschafs, die fein und dicht gekräuselt ist. Gegenwärtig sind Australien und Südafrika die dominierenden Wollproduzenten. Eine besondere Eigenschaft der Wolle ist, dass sie 18 % Wasser aufnehmen kann, ohne sich feucht anzufühlen, was – wie man sich vorstellen kann – für den Wollhandel besondere Probleme aufwirft, denn wer will für Wasser den Preis für Wolle zahlen.

Schafe werden in einem Stück geschoren, so dass sich ein zusammenhängendes Vlies ergibt, das vor dem Waschen in unterschiedliche Qualitäten sortiert wird. Bis zu 50 % des Gewichtes eines Vlies bestehen aus Wollfett, einem begehrten Rohstoff, und Schmutz. Das Waschen der Wolle erfordert viel Wasser und erfolgte meist in Verviers, denn das Wasser der Aachener Bäche reichte dazu nicht .

Unser Vlies eines irischen Schafs (Foto oben) ist von minderer Qualität.

Uralt Krempel – System Cockerill

Dieses im Eingangsbereich platzierte älteste Stück unserer Ausstellung stammt aus der Spinnerei Guillaume in St. Cecil nahe der Luxemburgisch französischen Grenze. Es steht für das durch die Familie Cockerill von England auf den Kontinent und in Deutschland zunächst nach Aachen gebrachte Wissen zu den Anfängen der Industrialisierung (Dampf- und Spinnmaschine). Der Industriepionier James Cockerill (1787 Haslington – 1837 Aachen) war wie sein Bruder John mit einer Tochter des Aachener Tuch- und Nadelfabrikanten Philipp Heinrich Pastor d. Ä. ( 1752-1821) verheiratet.

Uralt-Krempel

Musterkrempel

An unserem Musterkrempel kann man anschaulich sehen, wie aus der vorgelegten Wolle ein gleichmäßiges breites zartes Band am Auslauf der Maschine von dem sogenannten „Hacker“ vom Tambour gelöst wird. Hier kann man auch sehen, wie sogenannte Melangen produziert werden, indem Fasern unterschiedlicher Farbe zu einem neuen Farbton gemischt werden. Das Melangieren war eine besondere Kunst, die in Aachener Tuchfabriken gepflegt wurde. So haben wir aus dem Nachlass von Leo Führen gut 700 verschiedene Melangenrezepte und Muster, von denen einige in einer Vitrine zu sehen sind. Heute werden kaum noch solche in ihrer Farbwirkung einzigartigen Garne hergestellt, da alleine das Reinigen eines Krempelsatzes für die nächste Partie enorme Kosten verursacht.

Musterkrempel

Wenn Sie sich mit zwei Handkratzen darin versuchen wollen, gewaschene Wolle in eine zum Spinnen geeignete Vorlage zu lockern, werden Sie feststellen, wie viel Kraft und Geschick aufzuwenden ist.

(2-minütiges Video – Musterkrempel in Funktion.)

Wolfen

Nach dem Waschen ist Wolle mehr oder weniger verfilzt und muss mit erheblichem Kraftaufwand „geöffnet“ aufgelockert werden. Dies geschieht auf der hinten an der Wand stehenden Maschine, deren starke große Zähne ihr den Namen gaben. Damit die Fasern beim Wolfen nicht unnötig zerrissen werden, werden sie mit einer Emulsion, der „Schmälze“, benetzt. Der entsprechende Apparat steht neben dem Wolf, neben einer Ballenwaage, denn Wolle wurde in riesigen Ballen geliefert, die mit den vorne stehenden Sackkarren transportiert werden konnten.

Wolf

Dass unser Wolf vorher einmal ein Krempelwolf war und umgebaut wurde, können Sie an den Auflagen für die Wender und Arbeiter erkennen. Mit einem unserem Wolf ähnlichen Reißwolf kann man ganze Kleidungsstücke zerreißen und so deren Fasern recyceln, wobei die minderwertige aus kurzen Fasern bestehende „Reißwolle“ entsteht. Das Wollsiegel garantiert dagegen reine Schurwolle.  Die Wolferei war wegen der umherfliegenden Fasern ein ungesunder Arbeitsplatz.

Mischturm

Aus dem Wolf werden die gelockerten Fasern in den großen Mischturm geblasen. An der Wand dort ist ein Mischbett zu sehen. So geschichtet sähe ein dem Mischturm entnommenes Gelege für eine Melange aus, das aus dem Mischturm in den gegenüberliegenden „Kastenspeiser“ des Krempelsatzes geworfen würde.

Mischturm

Krempelsatz

Krempelsatz

Der Kastenspeiser transportiert über ein Nagelbett und eine Waage die Fasern in passenden Portionen zum „Vorreißer“ der statt mit Kratzenband mit kleinen Reißzahnketten bestückt ist und so auch mit kleinen Verfilzungen fertig werden kann.

Vorreißer-Zähne

Aus dem Vorreißer geht es zum 1. Krempel mit 5 Arbeitsstellen. Weiter über einen „Abnehmer“ zu einem 2. Krempel mit 5 Arbeitsstellen und von dort auf den sogenannten „Quertäfler“.

Quertäfler

Vom Quertäfler geht es über einen 3. Krempel um „Florteiler“. Der breite vom Hacker gelöste Faserflor wird durch dicht nebeneinander liegende Riemen getrennt und in schmalen Bändern auf die unterschiedlichen Ebenen des Auslaufs gebracht. Dort werden die Bänder durch „Nitschelhosen“ aufgerollt. Das fertige Vorgarn hat noch keine Drehung und lässt sich deshalb ganz leicht auseinander ziehen.

Flohrteiler

Die Erfindung der viel gerühmten Spinnmaschine, die am Beginn der Industrialisierung stand, ist ohne diese eigentlich komplexere Vorspinnerei nicht denkbar. So verstand man zur Zeit Cockerills unter einer Maschinenspinnerei ein sogenanntes Spinn-Arrondissement bestehend aus Vorspinnerei und Feinspinnerei. Die Reduzierung, den technischen Fortschritt an der Feinspinnmaschine fest zu machen, ist unsinnig; aber so gelingt es, den technischen Fortschritt durch viele Erfindungen in der Textilindustrie auf möglichst ein Datum und einen Erfinder zu reduzieren.

(4-minütiges Video ‘Wolfen – Mischen – Krempeln’)

Peralta

Aus dem Krempelsatz, den wir von St. Cecile nach Aachen gebracht hatten, haben wir den für die Wollverarbeitung interessanten „Peralta“ behalten. Mit dem enormen Druck der beiden plangeschliffenen Walzen wurden pflanzliche Unreinheiten (Kletten und Samen), die sich in der Schafwolle verfangen hatten, zerquetscht, ein Vorgang der der Wolle nicht schadet. Heute erfolgt die Beseitigung dieser Unreinheiten auf chemischem Wege durch Karbonisieren mit Schwefelsäure, was auch hier vor Ort in der Färberei Rzehak angewandt wurde.

Peralta