Der unter Denkmalschutz stehende achteckige Turm im Quadranten zwischen Charlottenstraße, Sophienstraße, Oppenhoff- und Viktoriaallee kann als Wahrzeichen der „Tuchfabrik Aachen vormals Süskind und Sternau AG“ angesehen werden.

Er diente als Treppenhaus für eine mehrgeschossige Fabrikhalle, umfasste im Inneren den Fabrikschornstein und besaß im obersten Geschoss einen Wasserbehälter, der für gleichmäßigen Wasserdruck in allen Leitungen sorgte. Der Entwurf stammt von dem berühmten Ingenieur und Professor Otto Intze, der an der RWTH in Aachen lehrte. Auf dem Gelände wurde auch von der Vorgänger-Tuchfabrik Ritz & Vogel Aachens erste Shedhalle (ebenerdige Fabrikhallen mit ‚sägezahnartigem’ Dach für Nordlicht und eine gleichmäßige Ausleuchtung bei der Tuchverarbeitung) errichtet.

Der Begründer Siegmund Sternau wird im „Verzeichnis der steuerpflichtigen Israeliten“ von 1874 in Aachen erwähnt. Der von ihm entrichtete Betrag von 32,83 Mark liegt deutlich unter den durchschnittlichen Zahlungen. Diese Zahl zeigt, dass der geschäftliche Start in Aachen durchaus bescheiden war. Im Adressbuch des Jahres 1877 wird er als Sigismund Sternau Lothringerstraße 86 geführt. Mit der Errichtung des Wohnhauses Wilhelmstraße 87, das rückwärtig an die Fabrik in der Lothringer Straße grenzte, fand die Familie ein stattliches Zuhause. Der stiegende wirtschaftliche Erfolg zeigte sich darin, dass das zunächst gemietete Haus in der Wilhelmstraße zwischen 1887 und 1891 von der Familie Sternau erworben werden konnte. Die mit seinem Partner Albert Süskind geführte Tuchfabrik „Firma Süskind & Sternau“ hatte ihren Betrieb zunächst ebenfalls in der Lothringerstraße. Die gemeinsame Firma entwickelte sich rasch zu einer der größten Aachener Tuchfabriken.

Nach dem Umzug in die Charlottenstraße und dem großzügigen Ausbau beschäftigte die in eine Aktiengesellschaft umfirmierte „Tuchfabrik Aachen vormals Süskind und Sternau AG“ bis zu 1.200 Weber.

Selbst in den wirtschaftlich schwierigen Zwanziger Jahren konnte die Tuchfabrik Aachen noch auf das Kapital von 1,6 Millionen Mark in den Jahren 1925 bis 29 durchschnittlich 10 % Dividende zahlen, während zum Beispiel der 1928 begründete Verbund der renommierten Tuchfabriken Delius und Johann Erckens Söhne in den neu gegründeten Textilkonzern TOGA bereits 1932 in die Stilllegung und Entlassung von 1.400 Beschäftigten führte. Die Tuchfabrik Aachen ging 1952 als größte Aachener Tuchfabrik der Nachkriegszeit im Zuge der Koreakrise in Konkurs, 640 Arbeitnehmer verloren ihre Arbeit.


Andreas Lorenz